Einen Neuanfang wagen: Wenn nicht jetzt, wann dann?

„Ich wusste nicht, dass es solche Einrichtungen wie das Berufsförderungswerk München für berufliche ­Rehabilitation gibt.“ Diese Worte von ­Temur­ ­Kavtiashvili spiegeln seine Überraschung für die Möglichkeit eines beruflichen Neuanfangs wider. Für viele Betroffene ist das BFW ein unbekannter Ort, bis sie den entscheidenden Schritt wagen, ihre berufliche Laufbahn neu zu gestalten.

Temur Kavtiashvili, der aus Georgien stammt, erzählt von seinem Werdegang. „Ich bin mit 20 Jahren nach ­Deutschland gekommen. Damals habe ich mich in Bremen an der ­Universität immatrikuliert, um mein Studium fortzusetzten. Ich wurde dann für Germanistik zugelassen, da ich in ­Georgien bereits Dolmetscher studiert habe. Aber letztendlich hat mir dann das Studium in Bremen nach eineinhalb Jahren keinen Spaß gemacht.“ Und so begann die berufliche Reise von Temur Kavtiashvili nach dem abgebrochenen Studium mit einer Ausbildung im Hotel- und Gastgewerbe, die ihn von der Nordsee über Frankfurt schließlich nach München führte. „Ich habe mich für eine Ausbildung zum Hotelfachmann entschieden, da ich bereits parallel zum Studium einen Nebenjob in der Hotellerie hatte.“

Doch während der fast 19 Arbeitsjahre plagten Temur ­Kavtiashvili immer wieder Knieprobleme, die schließlich dazu führten, dass er im Zuge des ersten Corona-Lockdowns eine neue Richtung einschlug. „Ich hatte plötzlich Zeit für mich und dann kam mir der Gedanke, dass ich mit meinen Problemen vielleicht mal zum Arzt gehen könnte.“ Der Besuch dort sollte eine schicksalhafte Entscheidung sein. „Nach dem ganzen Untersuchungsprozess kam heraus, dass mein Knorpel beschädigt war. Der Arzt hat mir dann empfohlen, entweder sofort eine Operation machen zu lassen, oder ich würde in ein paar Jahren im Rollstuhl wiederkommen.“ In einer Zeit, in der die Gastronomie aufgrund der Pandemie eh zum Stillstand gekommen war, dachte er sich: „Wenn überhaupt, dann jetzt.“

Unabhängig vom Ausgang der Operation meinte sein behandelnder Arzt, dass Temur Kavtiashvili die Gastronomie für seine Zukunft auf jeden Fall ausschließen könne, und stellte ihm einen Bericht aus, den Kavtiashvili bei der Rentenver­sicherung einreichen konnte. Diese unterbreitete ihm daraufhin das Angebot einer beruflichen Rehabilitation.

Temur Kavtiashvili hatte anfangs keine großen Erwartungen an das BFW. „Was sollte Kirchseeon schon bieten? Umso erstaunter war ich, als ich vor diesem riesigen Komplex stand.“ Diese anfängliche Skepsis wandelte sich schnell in Begeisterung, als er die Vielfalt der Angebote und die Professionalität der Einrichtung entdeckte. So entschied er sich für eine Ausbildung zum Industriekaufmann im BFW München. „Zu meiner Umschulung und der Zeit im Berufsförderungswerk kann ich von Anfang bis Ende nur positiv sprechen. Ich sage das nicht nur, weil wir gerade ein Interview führen, sondern weil mich das BFW mit der Vielzahl an Angeboten ­extrem überrascht und beeindruckt hat.“ Für viele Teilnehmer ist es schwer, sich wieder an den täglichen Unterricht zu gewöhnen. „Mir lag es total. Ich finde, der Lerneffekt jetzt ist viel besser als in jungen Jahren. Die Motivation ist anders – jetzt weiß ich, wofür ich lerne und dass dies meine letzte Chance ist, mit 40 noch einmal etwas Neues anzufangen.“

Noch vor seinem erfolgreichen Abschluss erhält Kavtiashvili einen Arbeitsvertrag bei der Firma MONTANA, einem großen Energieversorger in Oberhaching, mit etwa 250 Mitarbeitern. „Bereits während meiner Praktikumszeit wurde ich unglaublich herzlich bei MONTANA aufgenommen, und jetzt habe ich das Glück, in einem großartigen Team zu arbeiten, das mich unterstützt und motiviert. In meiner Rolle in der Heizkosten­abrechnung erlebe ich täglich neue Herausforderungen, die mir großen Spaß machen und eine Menge neuer Inputs geben.“

Temur Kavtiashvili betont auch die Wichtigkeit einer ­offenen Einstellung gegenüber Veränderungen. „Wenn ich jemanden treffe, der vor derselben Entscheidung steht, die ich damals treffen musste, würde ich ihm raten: Die Grundeinstellung muss sein, dass man offen für Veränderungen ist. Man sollte den Beruf, den man vorher gelernt hat, nicht komplett vergessen, aber man muss bereit sein, einen Schlussstrich zu ziehen." Natürlich kann man die Erfahrungen, die man zuvor gesammelt hat, in den neuen Weg mit ein­fließen lassen. „Ich bin extrem dankbar, dass mir diese Chance ermöglicht wurde,“ schließt Temur Kavtiashvili, der nun voller Zuversicht in die Zukunft blickt.

Die nächste Ausbildung zum/r Industriekauffrau/-mann beginnt am 22.01.2025. Der Reha-Vorbereitungslehrgang startet am 23.10.2024.