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Baupraktikum im BFW: Sie gehen zum Hausbau in den Keller?

Angehende Bauzeichner konstruieren Häuser im Untergeschoss des Berufsförderungswerks München in Kirchseeon.

Der Baukeller des Berufsförderungswerks (BFW) München ist kein dunkles Verlies, sondern ein lichtdurchfluteter Raum mit großer Glasfront. Darin läuft gerade eine Mörtelmischmaschine auf Hochtouren. Ein muskulöser gelernter Gärtner schaufelt Sand in die Maschine und bringt seinen Kollegen Mörtel. Unter Anweisung eines Maurermeisters setzen angehende Bauzeichner Stein auf Stein. Es ist Anfang Juli 2016 und es geht heiß her in der Bauhalle des BFW. Wieso geht man zum Bauen in den Keller? „Wir haben hier alles, was wir für einen reibungslosen Ablauf des Praktikums brauchen. Hier sind alle Anschlüsse und Leitungen, die benötigten Maschinen stehen bereit.“, beschreibt Ausbilderin Elisabeth Hofmann den idealen Bauplatz für das entstehende Haus im Keller. „Dieser Kellerraum ist extra für die jährlichen Baupraktika vorgesehen.“

In der beruflichen Rehabilitation in Kirchseeon gehen Theorie und Praxis Hand in Hand. Das Baupraktikum – ein Projekt für angehende Bauzeichner und Bauzeichnerinnen ist ein gutes Beispiel für dieses grundlegende Lehrprinzip im BFW. Das Baupraktikum gibt es, weil die Prüfungsordnung der Industrie- und Handelskammer (IHK) vorsieht, dass jeder Prüfling für die Zulassung mehrere Baustellenbesuche und ein Baustellenpraktikum nachweisen muss. Für die Besuche ist für die Kirchseeoner Rehabilitanden im dreimonatigen externen Praktikum Zeit. Während der Baustellenpraktika muss in verschiedenen Bereichen wie z.B. Schreinern, Tiefbau und Trockenbau  mitgelaufen werden. Während das in der dualen Ausbildung mehrere Monate in Anspruch nimmt, dauert das interne Baupraktikum der angehenden Bauzeichner im BFW zwei Wochen. „Wir entwerfen und bauen ein „Minihaus“ und versuchen dabei, alle Bereiche einzubringen.“, erklärt Ausbilderin Hofmann. Ein Maurer- und ein Zimmerermeister führen die einzelnen Arbeitsschritte vor und leiten an. „Statt nur mitzulaufen, dürfen unsere Auszubildenden selbst mit anpacken. Jeder macht so viel wie er kann.“

Im Freien vor der Bauhalle ertönt der Steinschneider. Eine gelernte Konditorin setzt sich den Gehörschutz auf Ihre Ohren und schneidet unter Aufsicht des Maurers rote Ziegelsteine auf die gewünschte Breite. Ihre männlichen Kollegen tragen die Steine zum Bauwerk, wo später der Türbogen fertiggestellt wird.

„Das Baupraktikum ist ein kleiner Höhepunkt der Ausbildung. Unsere Rehabilitanden freuen sich sehr darauf.“, sagt Hofmann, die das Baupraktikum betreut. Das Projekt startete im November vergangenen Jahres mit der Handskizze. Die erste Aufgabe war der Entwurf eines „Minihauses“ in Gruppenarbeit: Die Teilnehmer werden hierzu zunächst nach Losverfahren in vier Gruppen aufgeteilt, um ein Haus nach eigenem Wunsch und eigenen Ideen zu entwerfen. Zur Verfügung haben sie einen Grundriss und einen Schnitt der BFW-Bauhalle – der vorhandene Platz und die maximale Raumhöhe sollen optimal genutzt werden. Nach Vorgabe der Ausbilderin müssen im Entwurf die Elemente Mauerwerk, Dachkonstruktion und Treppe enthalten sein. Schnell haben die Gruppen kreative Einfälle, die sie in Handskizzen festhalten. Danach zeichnet jede Gruppe für ihr Minihaus-Projekt zunächst ein 2D-, dann ein 3D-Modell am PC. Die 3D-Konstruktion macht deutlich sichtbar, ob die ersten Überlegungen der Handskizzen tatsächlich umgesetzt werden können.  Gemeinsam mit ihren Ausbilderkollegen entscheidet Hofmann schlussendlich, welches Hausprojekt realisierbar ist und gebaut wird.

Anna Lisa Mc Clelland bearbeitet einen Sparren mit Stemmeisen und Klopfholz unter Anweisung des Zimmerermeisters. „Das Baupraktikum macht mir riesen Spaß.“, sagt die kleine Blondhaarige und strahlt. Sie hatte in einem Fahrgeschäft auf einem Jahrmarkt einen schweren Unfall erlitten. Erst nach drei Jahren war die 27-Jährige gesundheitlich wieder stabil genug, um eine Berufsfindung und Arbeitserprobung zu absolvieren. Diese sprach für eine Ausbildung zur Bauzeichnerin. Sie entschied sich ganz bewusst für das BFW München – und zog dafür aus dem Schwarzwald ins gut 400km von ihrer Familie entfernte Kirchseeon. „Als ich beim Info-Tag die Häuser in der Bauhalle sah, fand ich das supergeil. Ich wollte unbedingt hierher.“, erzählt Mc Clelland, die bis heute an den Unfallfolgen leidet: „Ich spreche regelmäßig mit dem psychologischen Dienst über meine Belastungsstörung und nutze das breite Angebot des BFW. Hier kann ich es schaffen.“

Die 24-monatige Umschulung zum/r Bauzeichner/in im BFW München mit der Abschlussprüfung vor der Industrie- und Handelskammer beginnt jedes Jahr im Januar und Juni. Zwei Kurse jährlich verewigen sich also mit ihrem selbst entworfenen Haus in der BFW-Bauhalle. Zwar bringen einige Teilnehmer einen Bauhintergrund mit – für die Umschulung zum Bauzeichner im BFW ist das allerdings keine Voraussetzung. „Man braucht einen qualifizierten Hauptschulabschluss und dazu ausgeprägtes räumliches Vorstellungsvermögen, zeichnerische Begabung sowie gute mathematische Kenntnisse.“, erklärt Hofmann, die selbst gelernte Bauzeichnerin ist und Städteplanung studiert hat. Besonders am Herzen liegt ihr, dass die Rehabilitanden auf ihre spätere Tätigkeit – etwa bei Baubehörden, in Architektur- und Planungsbüros oder auch bei Immobiliengesellschaften – gut vorbereitet sind.

Bauzeichner/innen sind sozusagen Assistenten von Architekten, welche sie bei der zeichnerischen Darstellung ihrer Bauplanungen unterstützen. Sie erstellen Vorentwurfs-, Entwurfs-, Eingabe- und Werkpläne sowie Detailzeichnungen. Zum Arbeitsalltag gehören u.a. richtiges Abspeichern von Dateien, Teilnahme an Besprechungen, Präsentieren oder auch Schreiben von Protokollen. „Eine typische Aufgabe ist auch die Massenermittlung für die Bestellung der benötigten Materialien“, sagt Hofmann. „Daher berechnen unsere Teilnehmer auch den Materialbedarf für den Bau ihres Minihauses.“ Mithilfe des 3D-Modells ermittelt der Kurs die benötigte Materialmasse und tätigt anschließend die Bestellung. Alle Phasen eines Bauprojekts sollen schließlich durchgespielt werden.

Rein baulich entsteht das Minihaus mit Mauerwerk und Dachstuhl innerhalb von zwei Wochen. Ziel des internen Baupraktikums im BFW ist es, das Wissen aus den Fächern Baustoffkunde und -konstruktion umzusetzen. „Beim Bau spielen wir alle Aufgaben mindestens einmal durch, z.B. Mauern, Zimmern, Treppenschalung, Wärmedämmung, Verbundsysteme, Außenputz oder auch Fenstereinbau.“, sagt Praktikumsbetreuerin Hofmann.  

Die Pfetten – also die waagrechten Träger der Dachkonstruktion – sind bereits auf dem Mauerwerk aufgebracht. Den von Mc Clelland vorbereiteten Sparren heben drei Männer in seine Position. Der Zimmermann verschraubt den Sparren an der Fußpfette. Der groß gewachsene, schlanke Brillenträger hobelt mit einer Balkenhobelmaschine die sichtbaren Sparren des Vordachs. Später zeigt der gelernte Zimmerer seinen Kurskollegen mit gekonnten Handgriffen den Umgang mit der Säge, um sogenannte Kerven in den Gratspann zu sägen. Mit diesen Einschnitten an der Unterseite des Dachbalkens entsteht eine waagrechte Auflagefläche auf der Pfette. Sparren um Sparren wird angebracht, das Dach des Minihauses nimmt Form an.

Hofmanns Resümee: „Sobald es losgeht, sind alle voll dabei. Diese praktische Abwechslung zur Theorie nehmen schließlich alle Teilnehmer gerne mit. Es ist nämlich super spannend, das umgesetzt zu sehen, was sie selbst gezeichnet haben.“

Neugierig geworden auf das Haus im Keller in Kirchseeon? Dann verschaffen Sie sich doch an einem unserer nächsten Info-Tage einen persönlichen Eindruck vom Bauwerk. Die nächste Ausbildung zum/r Bauzeichner/in startet am 18.01.2017, der Reha-Vorbereitungslehrgang am 02.11.2016.