Die Glückwünsche zur Verleihung seines Doktortitels nahm er in Latzhose, Bergschuhen und mit langen Haaren entgegen. „Ich war immer ein bisschen rebellisch“, erklärte Dr. Ernst Böhm, Gesellschafter der B&O Gruppe aus Bad Aibling auf dem Unternehmerabend im Berufsförderungswerk (BFW) München in Kirchseeon. Bereits zum 17. Mal fand die Veranstaltung in Kooperation mit der AOK Bayern statt, bei der regionale Unternehmerpersönlichkeiten über ihren Werdegang berichten.
Der gebürtige Dingolfinger Ernst Böhm studierte Rechtswissenschaften und war nach der Promotion zunächst als Anwalt tätig. Schon als Kind sei sein Berufswunsch Rechtsanwalt gewesen: „Ich hatte immer schon ein Faible für Gerechtigkeit“, meint er. Doch dann sei aus den Jugendwünschen nichts geworden: „Mir hat es nicht gefallen“, sagt der 61jährige im Rückblick auf seine Anwalts-Karriere. Er wechselte in die Wirtschaft, wurde 1985 Exportdirektor bei der Firma Hörmann. Eine wichtige, prägende Zeit, bei der er anfangs viele Rückschläge einstecken musste, die Böhm rückblickend aber als Schlüssel seines heutigen Erfolgs sieht. Nachdem er viel im Ausland unterwegs war – „einmal war ich allein 20 Mal im Jahr in Singapur“, so Dr. Böhm – suchte der frisch Verheiratete nach einer neuen beruflichen Herausforderung. Eine Zeitungsanzeige brachte 1993 die Wende: Ein mittelständisches Bauunternehmen suchte einen Geschäftsführer, die Dachdeckerei Bihler und Oberneder aus München. Böhm bewarb sich und wurde genommen.
Darauf folgten sehr wechselvolle Jahre, geprägt von Investoren und Übernahmen, von neuen Standorten und Aufgaben. Seit er das in B&O umfirmierte Unternehmen mit Kollegen gekauft hat, ist Dr. Böhm seit 2003 geschäftsführender Mehrheitsgesellschafter. „Dass ich mal ein Unternehmen mit 2000 Mitarbeitern haben würde, hab ich mir nie gedacht“, meint Böhm.
Unter seiner Federführung erfand sich B&O neu: Aus dem einstigen Dachdecker-Unternehmen wurde der erfolgreichste Dienstleister der deutschen Wohnungswirtschaft. B&O ist in dem Bereich Marktführer und betreut Wohnungen für kommunale, genossenschaftliche und privatwirtschaftliche Wohnungsgesellschaften. Egal ob der Wasserhahn tropft, der Rollladen klemmt oder eine Scheibe zu Bruch geht: Böhms Firma liefert den kompletten Instandhaltungs-Service für insgesamt 700.000 Wohnungen. Daneben plant B&O Modernisierungen und energetische Sanierungen und baut auch selber.
So wurde z.B. 2011 Richtfest gefeiert für das erste Hochhaus aus Holz in Mietraching. Dort erwarb B&O ein 70 Hektar großes, verlassenes Kasernengelände der US-Armee. Wo früher Amerikaner auf Horchposten waren, ist eine Nullenergiestadt entstanden, in der Mitarbeiter und Mieter wohnen. Es haben sich Unternehmen angesiedelt, es gibt eine Schule, ein Internat, einen Kindergarten und ein Hotel.
In Mietraching befindet sich auch die Zukunftswerkstatt des Unternehmens, die Weiterentwicklung der Gruppe ist im vollen Gange. Zentrales Thema ist vor allem die Digitalisierung des Handwerks mit dem Ziel, dadurch Kosten- und Zeit zu sparen. Rund 1800 Handwerkern wurden mit Laptops ausgestattet, Papier hat hier ausgedient. Böhms Sohn zeichnet verantwortlich für eine App zur Grundrisserstellung, die bereits mehr als 18 Millionen Downloads aufweisen kann. Diese App namens „MagicPlan“ erspart den Zollstock, da sie Grundrisse aus Bildern generiert, die mit dem Handy aufgenommen wurden. Sogar Fenster und Steckdosen werden erkannt. Mit MagicPlan kann man sich nicht nur das Ausmessen und eine händische Zeichnung des Plans sparen, sondern auch gleich einen Auftragsplan erstellen mit dazugehöriger Material- und Preisliste sowie Möbeln.
Den Investitionsschwerpunkt in den kommenden fünf Jahren sieht Böhm in der Digitalisierung. Als einen immer wichtiger werdenden Faktor für den Erfolg sieht er außerdem die Zufriedenheit der Mitarbeiter an: „Es ist heute nicht die große Kunst, Aufträge zu finden, sondern Mitarbeiter“, ist Böhm überzeugt. Die Mitarbeiter müssten im Mittelpunkt stehen. Das fördert B&O z.B. mit eigenen Kindergärten, Vermittlungsprämien und Werkswohnungen. „Wichtig ist außerdem, dass die Führungskräfte immer als Vorbild vorangehen“, so Böhm.
In der Firma tritt sein heute 33jähriger Sohn in seine Fußstapfen. Vor den anwesenden Unternehmern im BFW plädierte er für eine rechtzeitige Firmenübergabe: „Zu früh gibt es nicht, die meisten Unternehmen werden zu spät übergeben.“ Wichtig sei, dass man für sich eine neue Aufgabe gefunden habe. „Dem Nachfolger sollte man früh Verantwortung geben − und wenig Geld“, schmunzelt er. Sein Fazit: „Der Weg zum Erfolg ist immer eine Baustelle. Das perfekte Leben, die perfekte Firma gibt es nicht.“
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