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Körperbehinderte Computer-Cracks schulen angehende Arbeitspädagogen

Im „inklusiven Unterricht“ im Berufsförderungswerk München vermitteln Dozenten im Rollstuhl ihre Computerkenntnisse an angehende Gruppenleiter in Behindertenwerkstätten.

Die 23-jährige gelernte Köchin Ute Schoreisz schult seit Dezember 2015 im Berufsförderungswerk München (BFW) um. Sie wird Arbeitspädagogin – und als solche nach ihrer Ausbildung als Gruppenleiterin in einer Werkstatt für behinderte Menschen tätig sein. „Ich möchte gerne mit psychisch Kranken arbeiten“, sagt sie. Schoreisz ist die jüngste im Kurs APD 04 und versteht sich hervorragend mit ihrer Kollegin Berta Mühlbauer-Rößner (53). Am PC tut sich das Duo Schoreisz und Mühlbauer-Rößner nicht ganz leicht. „Mit PowerPoint hatte ich noch überhaupt nichts zu tun. Tabellen konnte ich bisher nur ausfüllen – sofern sie schon vorgefertigt waren. Selbst erstellt in Excel habe ich noch keine“, erzählt Mühlbauer-Rößner, die weiß: „Es wird nicht ohne EDV gehen.“

Für die Präsentationen im Anschluss an die insgesamt drei externen Praktika sowie die Abschlussarbeit ihrer Umschulung benötigen die angehenden Arbeitspädagogen/-innen tiefere Kenntnisse in MS-Office. Eine EDV-Schulung ist daher Bestandteil der Ausbildung in Kirchseeon. Dozentin ist Anne Holzer, EDV-Anwendungstrainerin und Fortbildungsbeauftragte in der Werkstatt für Körperbehinderte GmbH München (WKM). Die EDV-Schulung ist ein „inklusives Projekt“, das 2016 vom BFW und der WKM erstmals realisiert wird.

Seit Januar kommt Holzer immer dienstags gemeinsam mit ihren drei Co-Dozenten nach Kirchseeon. Gabriel Tibebu, Daniel Neugebauer und Christian Penner sitzen im Rollstuhl. Bei der WKM arbeiten sie im Datenservice. Sie haben mehrere Module des Europäischen Computerführerscheins ECDL mit externer Online-Prüfung erfolgreich absolviert. Dieser zählt zum großen Weiterbildungsangebot, das die WKM ihren Mitarbeitern bietet.

Das vierköpfige Team unterrichtet die künftigen Arbeitspädagogen jeweils zwei Stunden in Excel, PowerPoint und Word. Als „Office-Anfängerinnen“ werden Ute Schoreisz und Berta Mühlbauer-Rößner in der EDV-Schulung von manchen computerspezifischen Fachbegriffen ein wenig überrollt. Bei Fragen können sie sich an die Co-Dozenten wenden, die dann mit ihrem Rollstuhl herbeiflitzen und helfen. „Sie haben sehr gutes Fachwissen. Und den Drang, dieses zu präsentieren.“, sagt Mühlbauer-Rößner. „Ob der Dozent im Rollstuhl sitzt oder nicht ist völlig egal. Die Behinderung ist in keiner Weise spürbar.“ PC-Profis unter den Arbeitspädagogen erhalten weiterführende Updates von den drei Experten.

Tibebu, Neugebauer und Penner treten im BFW zum ersten Mal als Dozenten auf: „Es ist eine gute Erfahrung, einmal den Blick von der anderen Seite zu bekommen.“ sagt Tibebu. Neugebauer fügt hinzu: „Wir nutzen diese einmalige Chance, Computerwissen weiterzugeben, das wir selbst erlernt haben.“ Die Teilnehmer im BFW müssen bei Unklarheiten in Kontakt zu den Rollstuhlfahrern treten. „Das läuft ganz selbstverständlich“, meint Penner. Das inklusive EDV-Projekt, das vorläufig bis zur nächsten Praktikumsphase Anfang Juni geplant ist, baue Berührungsängste ab. „Und wir kommen aus unserem geschützten Bereich heraus und bewegen uns in der „normalen“ Gesellschaft“, sagt Penner. „So merken alle, dass das Ganze gar nicht schlimm ist.“

Die WKM ist eine von 14 Gesellschaften der Pfennigparade – eines der größten Rehabilitationszentren für Menschen mit Körperbehinderung. Derzeit arbeiten knapp 600 vorrangig körperlich behinderte Menschen für die WKM. Aufgrund ihrer Behinderung sind sie derzeit nicht am allgemeinen Arbeitsmarkt tätig. Zum Arbeitsangebot der WKM zählen z.B. die Bereiche Datenservice und Büroservice, OpenWebService oder auch Kunst, Handwerk und Gärtnerei.

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Hier lesen Sie außerdem eine Erfolgsgeschichte über einen Absolventen der Ausbildung zum Arbeitspädagogen.

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