News

Vom Lastwagen-Führerhaus auf den Podologie-Behandlungsstuhl

Selbstbewusst, mit mehreren hundert PS unter der Motorhaube und immer unter Zeitdruck: Grit Saeger war früher in einer Männer-Domäne unterwegs.

Selbstbewusst, mit mehreren hundert PS unter der Motorhaube und immer unter Zeitdruck: Grit Saeger war früher in einer Männer-Domäne unterwegs. Sie war Berufskraftfahrerin und mit ihrem 40-Tonner quer durch Deutschland unterwegs. Die Truckerin lieferte Teile für die Automobilindustrie aus. So lange, bis der Rücken nicht mehr mitspielte. Im Berufsförderungswerk München (BFW) in Kirchseeon schulte sie zur ­Podologin um und ist sich sicher: „Das ist der Beruf, in dem ich alt werden möchte.“

Nach ihrem Realschulabschluss im sächsischen Döbeln hatte Saeger zunächst Köchin gelernt und in dem Beruf auch gearbeitet. Aufgrund der schwierigen Arbeitsmarksituation in den neuen Bundesländern zog sie 1993 zusammen mit ihrem damals dreijährigen Sohn nach Bayern, arbeitete zunächst weiter in der Gastronomie und sattelte dann zur Berufskraftfahrerin um. Nach einem Bandscheibenvorfall und einer Not-OP 2013 kehrte sie zunächst auf den Fahrersitz ihres Lastwagens zurück, doch die Rückenschmerzen verschlimmerten sich wieder.

Nach längerem Krankenstand wandte sich Grit Saeger an die Rentenversicherung Bayern-Süd in Landshut und beantragte eine Umschulung: „Ich wollte unbedingt etwas mit Menschen machen.“ Nach einem vierwöchigen Berufsfindungskurs stand für sie fest: Es sollte der Beruf der Podologin werden, also der medizinischen Fußpflegerin. Doch damit war ihr Kostenträger zunächst nicht einverstanden, vor allem wegen der Rücken-Problematik. Doch Grit Saeger setzte sich durch und erkämpfte sich die Umschulung: „Das war das Einzige, was ich wirklich machen wollte. Ich hatte keinen Plan B.“

Und sie hatte Erfolg: Mit dem Argument, dass der Podologen-Beruf mit wechselnden Körperhaltungen zwischen Sitzen und Stehen auch bei Rückenproblemen geeignet ist, konnte sie sich durchsetzen. Saeger zog ins Internat des Berufsförderungswerks München in Kirchseeon und belegte vor der Ausbildung zunächst einen dreimonatigen Vorbereitungskurs. „Das Internat war super. Aber ganz besonders möchte ich die Dozenten und die Psychologen loben. Ohne sie hätte ich es nicht geschafft“, ist sich Grit Saeger sicher. Regelmäßig nahm sie die weiteren Angebote wahr: Von Massagen über Physiotherapie bis hin zur Rückenschule oder dem Schwimmen im hauseigenen Schwimmbad.

Zur Podologie-Ausbildung gehören acht Praktikums-Blöcke von zwei bis vier Wochen, die die 48jährige unter anderem bei einer Diabetologin in Ebersberg absolvierte und in der Gefäßchirurgie in Landshut. Die Abschlussprüfung in der Podologie zieht sich über zwei Wochen mit einem mündlichen, einem schriftlichen und einem praktischen Teil. Zusammen mit dem Psychologischen Dienst arbeitete Grit Saeger erfolgreich an ihrer großen Prüfungsangst: Sie schaffte ihren Abschluss mit der Gesamtnote 1,6.

Heute arbeitet sie – wie gewünscht in Teilzeit – in der Podologie-Fachpraxis Leitner in Aldersbach. Dort schätzt sie die Abwechslung, arbeitet neben der Praxis auch mobil als Podologin im Altersheim und macht Hausbesuche. Durch ihr Fachwissen hat sie einem Patienten grade erst helfen können, seinen Fuß zu behalten: Sie bestand darauf, dass der ältere Mann sofort ein Krankenhaus aufsuchte – das bewahrte ihn quasi in letzter Sekunde vor einer Amputation des Fußes, so die spätere Rückmeldung des behandelnden Arztes. Einer der schönsten Momente ihres Berufslebens: „Ich bin angekommen,“ freut sich Grit Saeger über ihr neues (Berufs)Leben.

Der nächste zweijährige Podologie-Kurs beginnt am 10.09.2019. Die Maßnahme wird auch in Teilzeit angeboten und dauert dann 36 Monate, Kursbeginn ist ebenfalls der 10.09.2019.